Wahlprüfsteine des Beirats für Menschen mit Behinderungen

Wahlprüfsteine des Beirats für Menschen mit Behinderungen (vom 23. Juli 2018)

Der Oberbürgermeisterkandidat Mike Schubert, SPD, steht dem Beirat für Menschen mit Behinderung zum Thema „Einfach überall“ Rede und Antwort:

Wie nehmen Sie die Stadt Potsdam im Bereich Barrierefreiheit war?

Im Bereich des ÖPNVs hat sich schon viel getan. Haltestellen wurden so angelegt, dass die Menschen ebenerdig in die Bahnen können, Niederflurbahnen fahren, Ansagen über die Anbindungen werden im Außenbereich gemacht. Hier sind wir auf einem guten Weg.
Aber es gibt noch viel zu tun: Behindertenleitsysteme müssen aktualisiert werden, die Barrierefreiheit im öffentlichen Raum muss weiter verbessert werden. Einfache Sprache muss in Behörden, Ämtern, im Krankenhaus eingeführt werden. Bei neuen Projekten muss das alles von Anfang an mitgedacht und geplant werden.

Wie würden sie als zukünftige Oberbürgermeisterin/ zukünftiger Oberbürgermeister die Inklusion in der Stadt voranbringen?

Wir haben ja das Büro für Chancengleichheit, es ist nicht umsonst dem Geschäftsbereich des Oberbürgermeisters zugeordnet. Ein regelmäßiger Bericht und Austausch ist mir wichtig, um zu sehen, wie es vorangeht. Hinzu kommt der Beirat für Menschen mit Behinderungen. Auch hier nehme ich mir die Zeit für einen Austausch und zum Gespräch. Es ist mir wichtig, dass sie als Fachleute eine Möglichkeit haben, zu reden und aufmerksam zu machen. Auf der Grundlage kann ich dann weitere Schwerpunkte setzten und Dinge anschieben.

Werden Sie sich dafür einsetzen Potsdams Haltestellen flächendeckend mit Außenansagen auszustatten?

Ja, unbedingt. Es ist ja im Grunde für alle Fahrgäste eine große Hilfe, wenn es Ansagen gibt. Ich denke da z.B. auch an unsere älteren Mitbürger.

Werden Sie sich dafür einsetzen, dass bestehende Richtlinien besser umgesetzt werden, damit Potsdams Bürgersteige auch für Menschen mit Behinderung überall passierbar sind?

Ich werde mich in allen Bereichen der Verwaltung dafür einsetzten, dass bestehende Richtlinien besser umgesetzt werden.

Die hochflurigen Trams werden voraussichtlich noch eine Weile im Einsatz sein. Wie kann man diese Situation Ihrer Meinung nach für Menschen mit Behinderung, aber auch für Menschen mit Rollator oder Kinderwagen besser verträglich gestalten und lange Wartezeiten verhindern?

Eine Möglichkeit wäre, eine Art Assistenz in diesen Bahnen mitfahren zu lassen, die denen hilft, die Hilfe benötigen. Das wäre zudem auch sehr kundenfreundlich. Das werde ich mit dem Verkehrsbetrieb besprechen.

Was werden Sie unternehmen, damit „Pannen“ wie zum Beispiel zu wenig kontrastreiche Fahrstuhltasten oder Türen ohne automatischen Türöffner in öffentlichen Gebäuden vermieden werden können?

Siehe Frage 4 und die Mitarbeiter der Verwaltung weiter sensibilisieren, dass das ein wichtiges Thema ist.

Sind Sie der Meinung, dass Barrierefreiheit bei Neubauten der Standard sein sollte?

Ja, unbedingt.

Wie kann in Potsdam Ihrer Meinung nach mehr bezahlbarer und barrierefreier Wohnraum geschaffen werden?

Durch die Konzeptvergabe. Wir sehen es ja aktuell bei der Bebauung der Mitte, wo auch die Wohnungsbaugenossenschaften viel bauen werden. Auch die neue Kooperationsvereinbarung zwischen Stadt, ProPotsdam, den Genossenschaften und dem Studentenwerk für sozialen Wohnraum ist ein guter Schritt.

Wie wollen Sie Potsdam als inklusive und barrierefreie Stadt so gestalten, dass gemeinsames Leben in allen Schulen grundsätzlich möglich ist?

Ein gemeinsames Leben in allen Schulen erreichen wir a) indem die Schulen barrierefrei sind und b) durch eine Durchmischung der Bevölkerung.

Welche konkreten Maßnahmen – im Einklang mit der von Deutschland ratifizierten Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen – werden Sie hierbei in einem, in zwei und in fünf Jahren umsetzen, insbesondere mit Blick auf die geplanten Neubauten in der Waldstadt-Süd?

Sie meinen sicher den geplanten Schulcampus, integriert in die Waldstadt. Es versteht sich von selbst, dass wir Neubauten barrierefrei planen und umsetzen. Auch für die Sportstätten gilt das.

Wie können Ihrer Meinung nach insbesondere Kinder und Jugendliche mit Behinderung aus sozial und/ oder ökonomisch schwachen Familien unterstützt werden?

Durch eine enge Begleitung von Geburt an. Wir haben ein gutes Netz an Hilfen und Hilfsangeboten, diese müssen im Interesse einer bestmöglichen Entwicklung der Kinder kostenlos für die Eltern sein. Und das Angebot muss niederschwellig und verständlich an die Eltern herangetragen werden. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist das Kindergesundheitshaus, dessen Entstehung ich persönlich vorantreibe.

Welche Maßnahmen kann man Ihrer Meinung nach auf kommunaler Ebene ergreifen, um Menschen mit Behinderung die gleichen Ausbildungschancen für einen Beruf zu ermöglichen?

Barrierefreiheit meint nicht nur Gebäude, Verkehrsmittel oder Gehwege, sondern auch die persönliche Lebensgestaltung. Ausbildung ist ein wichtiger Bestandteil. Im Potsdamer Leitbild steht: „Diskriminierung und Ausgrenzung haben bei uns keinen Platz“. Inklusion steht als Ziel mit darin. Das gilt auch für Ausbildung. Die Industrie- und Handelskammer, die Handwerkskammer und die Arbeitsagentur kümmern sich und sind gute Ansprechpartner für Ausbildungsplätze. Auch die Potsdamer Verwaltung bildet Menschen nach ihren Eignungen aus, und nicht nach dem Kriterium, ob sie eine Behinderung haben oder nicht.
„Potsdam als weltoffene Stadt hat ein Interesse an Bewerbungen von Menschen mit interkultureller Kompetenz“, steht in jeder Stellenausschreibung. Das kann gut ergänzt werden um „Inklusion“ und „mit oder ohne Behinderungen“, oder?
Das Bundesteilhabegesetzt regelt schließlich die Rahmenbedingungen.

Welche kulturelle Veranstaltung haben sie als letztes besucht, an der alle Einwohnerinnen und Einwohner Potsdams gleichermaßen teilnehmen konnten?

Einige! Denn viele Kultureinrichtungen in Potsdam leben Barrierefreiheit. Im Nikolaisaal zum Beispiel achtet man bei Konzerten auf Hörbehinderungen, bei der Feuerwerkssinfonie gibt es natürlich Rollstuhlplätze. Das waren die beiden, wo ich als letztes war. Und im Heckentheater des Poetenpacks neben dem Neuen Palais. Auch das ist barrierefrei und macht allen Menschen viel Freude!

In welcher Art und Weise werden Sie als Oberbürgermeisterin oder Oberbürgermeister kulturelle Einrichtungen dazu ermutigen, ihr Angebot barrierefrei zu gestalten und bereits laufende Projekte aktiv unterstützen?

In dem ich jede Gelegenheit nutze, daraufhin zu weisen, dass ich Oberbürgermeister für alle Menschen in dieser Stadt bin und mir das Wohl aller Menschen wichtig ist. Dazu gehört eben auch ganz entscheidend die Teilhabe am städtischen Leben für alle. Ich würde nach meinem Amtsantritt alle Kultureinrichtungen direkt ermutigen, zukünftig noch stärker darauf zu achten, weil es mir wichtig ist.

Welche Barrieren müssen Ihrer Meinung nach abgebaut werden, damit Menschen mit Behinderung ihre Fähigkeiten und Interessen noch aktiver in das kulturelle Leben unserer Stadt einbringen können?

Ich sehe da in erster Linie die Barrieren im Kopf vieler Menschen, die einfach Berührungsängste haben. Es braucht mehr öffentliche Möglichkeiten der Begegnung, zwanglos und locker, um ins Gespräch zu kommen. Und auch eine Plattform auf der man sich dann fachlich austauschen und sich präsentieren kann.

Wie können Sie als zukünftige Oberbürgermeisterin oder als zukünftiger Oberbürgermeister die Bedingungen in Potsdam im Bereich Pflege so verbessern oder zur Verbesserung beitragen, das sich sowohl die Pflegedienste/ -kräfte und die Empfänger der Pflegeleistungen in einer Atmosphäre des gegenseitigen Respektes und der Würde wiederfinden?

Ich setzte mich mit Nachdruck dafür ein, den Fachkräfte-Mangel im Bereich der Pflege zu bekämpfen. Leider sind da die Möglichkeiten auf kommunaler Ebene beschränkt. Auch eine faire Bezahlung ist ein wichtiges Instrument. Und der Bau von Pflegeeinrichtungen muss immer mitgedacht und geplant werden.

Was werden Sie konkret unternehmen, um die Beteiligung von Menschen mit Behinderung sicherzustellen?

Konkret werde ich regelmäßige Gespräche mit dem Beirat und dem Büro für Chancengleichheit führen. In den Ausschüssen wird immer ein Vertreter des Beirates sitzen, mit beratender Funktion. In den Fraktionen muss es einen Ansprechpartner geben, an den sich der Beirat wenden kann. Verwaltung und Politik müssen lernen, für Menschen mit Behinderung mitzudenken. Das ist ein Lernprozess, der sich beständig weiterentwickelt.

Würden Sie es unterstützen, Maßnahmen wie die Übertragung der Stadtverordnungsversammlung in Gebärdensprache auszuweiten?

Wenn das Interesse da ist, auf jeden Fall. Wir haben ja jetzt die Möglichkeit geschaffen, nach vorheriger Anmeldung einen Gebärdendolmetscher zur SVV einzuladen. Das wurde noch nicht in Anspruch genommen. Aber vielleicht ist die Übertragung der SVV mit Dolmetscher sowieso der bessere Weg zur Teilhabe, weil doch viele von Zuhause aus gucken? Da bin ich dann auf den Beirat, Ihr Wissen und Ihre Informationen angewiesen.

Was kann die Stadt Potsdam Ihrer Meinung nach unternehmen, um die Einwohnerinnen und die Einwohner mit Blick auf die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung – insbesondere Frauen, Queers und/ oder Menschen mit Migrationshintergrund – zu sensibilisieren?

Mit gutem Beispiel vorangehen, Themen aufgreifen und klar Position beziehen. Dass tun wir ja auch konkret mit dem Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“ schon. Und auch mit vielen kleinen Gesten. Ich denke da zum Beispiel an die Fotoausstellung Quer, die kürzlich im Flur des Oberbürgermeisterbereichs gezeigt wurde.

Wie würden Sie sich die Zusammenarbeit mit dem Beirat für Menschen mit Behinderung als Oberbürgermeisterin oder Oberbürgermeister vorstellen?

Wie schon mehrfach gesagt, ein regelmäßiger persönlicher Austausch (1x im Jahr), wie ich es auch mit den anderen Beiräten praktiziere. Ich würde veranlassen, dass der Beirat nicht nur in den Fachausschüssen vertreten ist, sondern auch im Hauptausschuss. Das gilt natürlich für die anderen beiden Beiräte auch. Das wäre auch ein wichtiger Schritt für mehr Akzeptanz und Teilhabe in der Kommunalpolitik.