Wahlprüfstein der Flüchtlingshilfe Babelsberg

Die Stadt Potsdam hat bislang die Willkommenskultur und die ehrenamtliche Freiwilligenarbeit für Geflüchtete aus unserer Sicht tatkräftig unterstützt. Nachdem die ersten Schritte zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in unserer Stadt gemacht sind (Sprach- und Orientierungskurse, Patenschaftsprogramme etc.), warten neue Aufgaben, um die Migrantinnen und Migranten bei der Aufnahme von Ausbildungs- und Berufsverhältnissen, bei schulischer Bildung und vorschulischer Betreuung und der Realisierung ihrer kulturellen und religiösen Aktivitäten unterstützen zu können.

Durch die Aufgabe der zentralen Unterkunft auf dem Brauhausberg und die teils dezentrale Unterbringung von Geflüchteten in anderen Aufnahmeeinrichtungen, teils inzwischen in eigenen Wohnungen, steht eine Umstrukturierung der bislang hauptsächlich an die Standorte der Unterkünfte gebunden finanziellen Förderung von unterstützender Arbeit verschiedener Akteure an. Die Flüchtlingshilfe Babelsberg e.V. hat sich bislang auf die Standorte Brauhausberg und Konsumhof konzentriert. Wir werden in Zukunft unser Angebot an Sprachausbildung und Berufsorientierung sowie Vermittlung und Begleitung von Patenschaften an interessierte Geflüchtete richten unabhängig davon, wo diese in der Stadt leben. Daher ist uns die künftige Ausgestaltung der Unterstützung von Arbeit mit Geflüchteten durch die Stadt Potsdam wichtig.

1. Soll die bisherige materielle und ideelle Unterstützung der Stadt für ehrenamtliche Arbeit mit Geflüchteten insgesamt weitergeführt, ausgebaut oder sukzessive verringert werden?

Integration ist ein fortlaufender Prozess, der die nächsten Jahrzehnte andauern wird. Daher ist es wichtig, immer die aktuelle Situation zu betrachten und nach zu justieren. Die finanzielle Unterstützung soll weitergeführt werden. Aber vielleicht brauchen wir bald kein stadteilbezogenes Budget mehr und können alles als stadtteilübergreifendes Budget ansetzten. Die ideelle Unterstützung ist durchaus noch ausbaufähig. Ich denke da zum Beispiel an einen konkreten Ansprechpartner, der Organisationen berät, wie einen Ehrenamtskoordinator.

2. Wie soll aus Ihrer Sicht die bisherige finanzielle Unterstützung der Stadt für ehrenamtliche Initiativen angesichts des oben beschriebenen Szenarios umstrukturiert werden?

Um den Akteuren einen breiteren Handlungsspielraum zu geben, sollte die Überführung des stadtteilbezogenen in ein stadtteilübergreifendes Budget ermöglicht werden. Ich könnte mir zudem vorstellen, das Budget für Integration in das Gesamtbudget für Soziales und Gesundheit zu überführen. Dadurch ergeben sich neue Möglichkeiten der Angebote, aber auch der dauerhaften Finanzierung.

3. Die Stadt unterstützt die Integration von „alten“ und „neuen“ MigrantInnen in verschiedenen Geschäftsbereichen. Wie stellen Sie sich in Zukunft die Koordination des Engagements der Stadtverwaltung vor und wie sollte ein effektives Qualitätsmanagement bei der Ausschreibung und Überprüfung der vertraglich vereinbarten Leistungserbringung für den Betrieb von Unterkünften aussehen?

Hier soll ja ein neuer Geschäftsbereich geschaffen werden. Für  Ausschreibung und Überprüfung der Leistungen gibt es Fachgremien, die sich regelmäßig treffen. Hier wird evaluiert, und die neuen Erkenntnisse fließen in die nächsten Ausschreibungen mit ein. Zusätzlich gibt es eine Bewertungsmatrix, mit deren Hilfe die Qualität des Angebotes bewertet wird. Außerdem arbeiten hier Verwaltung u n d Politik zusammen in den Gremien.

4. Haben Sie Vorschläge, wie die Zusammenarbeit der Stadt mit ehrenamtlichen Akteuren bei der Arbeit mit Geflüchteten optimiert werden könnte?

Zum Beispiel mit einem Runden Tisch einmal im Jahr. Feedback und Vorschläge müssen von den Akteuren kommen und können dann diskutiert und von der Verwaltung umgesetzt werden

5. Wie kann die Stadt geflüchtete Familien bei dem Besuch von Kitas unterstützen und die Bereitschaft stärken, ihre Kinder überhaupt in Kitas schicken zu wollen?

Indem wohnortnahe Kitas zur Verfügung stehen. Ein Wegweiser „Wie bekomme ich einen Kitaplatz“ in mehreren Sprachen. Auch ein Infoblatt, wie wichtig der Besuch einer Kita für die Entwicklung des Kindes ist, kann helfen. Am sinnvollsten ist aber sicher die finanzielle und auskömmliche Unterstützung der Beratungsstelle. Hier wird auch regelmäßig geprüft, ob die Stundenzahl zur Beratung ausreicht.

6. Gibt es Ihrer Ansicht nach bei der psychosozialen und psychiatrischen Betreuung von traumatisierten Geflüchteten, der allgemeinen Gesundheitsberatung und der Beratung von schwangeren Migrantinnen Verbesserungsbedarf?

Die Beratungsarbeit der Fachstelle wird viel von Familien oder Einzelpersonen wahrgenommen, die keine anderen Beratungsangebote nutzen können. Familienberatungsarbeit ist immer komplex und aufwendig- Deshalb stellt sich diese Frage zu Recht immer wieder. Hier wird auch regelmäßig geprüft, ob die Stundenzahl zur Beratung ausreicht. Bei der letzten Ausschreibung wurde dem ja Rechnung getragen mit einer Stelle mehr. Die psychiatrische Betreuung von traumatisierten Flüchtlingen obliegt natürlich nicht allein dem Beratungsfachdienst für Migrantinnen, das möchte ich auch betonen.

7. Sollte die Stadt Beschäftigungsangebote speziell für MigrantInnen bereitstellen, falls die Bundesregierung den zeitlich nicht befristeten Aufenthalt von abgelehnten Asylsuchenden bei Nachweis von Beschäftigungsverhältnissen gestatten sollte (‚Spurwechsel‘)? Wenn ja, welche könnten das sein?

Ja, das sollte die Stadt tun. Auch hier gilt, immer mit gutem Beispiel vorangehen. Die Art der Beschäftigung hängt natürlich auch stark von der Qualifikation der einzelnen Personen ab. Aber Fremdsprachenkenntnisse sind ja nahezu in allen Bereichen nützlich.

8. Von Geflüchteten wird die Bereitschaft zur Integration verlangt. Welche kurz- und mittelfristigen Anstrengungen sollte die Stadt zur Stärkung der interkulturellen Kompetenz ihrer Beschäftigten unternehmen?

Das wird bereits gemacht: Es gibt Angebote für die Mitarbeiter der Verwaltung, sich dazu gezielt fortzubilden. Und es wird sensibilisiert. Ein anderes Beispiel der Bemühungen innerhalb der Verwaltung ist zum Beispiel ein interner, niedrigschwelliger Sprachmittlerpool, der spontan vor drei Jahren gebildet wurde., um innerhalb der Verwaltung unkompliziert und schnell helfen zu können. Damit sind keine amtlichen Übersetzungen oder externe Dienstleistungen gemeint, natürlich, sondern kollegiale Hilfe bei Verständigungsschwierigkeiten. Etwa 20 Sprachen wurden von den Mitarbeitenden genannt, in denen sie einfache Unterstützung anbieten können.

9. Auch der Islam braucht einen Ort, um den hier lebenden Muslimen eine angemessene religiöse Praxis zu ermöglichen. Würden Sie als OberbürgermeisterIn den Neubau einer Moschee unterstützen und haben Sie ggf. auch Vorstellungen, wo dieser errichtet werden sollte?

Ich habe mich sehr dafür eingesetzt, dass der Standort der Moschee erweitert wird und ein eigener Platz gefunden wird. Wir stehen in regelmäßigem Kontakt, und wenn signalisiert würde, der Platz reicht nicht mehr aus, werde ich mich einem Gespräch nicht verweigern und stehe für die Suche nach Lösungen bereit.

10. Der Oberbürgermeister hat erklärt, dass die Stadt aus Seenot gerettete Geflüchtete von Schiffen, die in Mittelmeerhäfen festsitzen, aufnehmen würde. Halten Sie dieses nach Lage der Dinge eher symbolische, dennoch wichtige Angebot für richtig und was werden sie, falls Sie gewählt werden, unternehmen, dieses Angebot auch Wirklichkeit werden zu lassen.

Ich halte das Angebot für richtig. Es geht hier um Menschen und einzelne Schicksale. Aus humanitärer Sicht muss man helfen. Wir haben eine gute Infrastruktur und Platz in den Gemeinschaftsunterkünften und das gesellschaftliche Klima ist in Potsdam sehr gut.